Die australische Schauspielerin Grace Cummings zeichnet in flehentlichen Folksongs dramatische Menschenbilder
In ihren songtexten besingt sie ihn immer wieder: den lieben Gott. Dabei sei sie in keiner Weise religiös, betont die australische Sängerin und Schauspielerin Grace Cummings, die den Folk der frühen 6Oer-Jahre zurückbringt. Und ohnehin: „Wenn es Gott gäbe, würde es wahrscheinlich viele davon geben. Und sie wären ebenso strafend wie verzeihend, sanft und leicht“, so die Musikerin, die zwischen religiösen Symbolfiguren und klassischer Dramaturgie einen markanten Stil gefunden hat.
Cummings’ immer wiederkehrende Bezüge zum Religiösen kommen nicht von ungefähr. Sie sagt, sie habe einen Hang zu Religion und etwas „absolut Dramatischem“. Sie sehe im Glauben an „unerklärliche Dinge“, an einen Gott, der bedingungslos liebt und verzeiht, einen dramatischen Weg, einen Sinn im Leben zu finden. Dennoch wirft Cummings die Frage auf: „Warum sollte es einen Gott geben? Wir Menschen sind furchtbar.“
Doch auch klassische Poesie, Schauspiel, Musicals oder Theaterstücke aus einer längst vergangenen Zeit seien etwas, woraus sie einen Großteil ihrer Inspiration bezieht. „Ich bin damit aufgewachsen. Ich finde, Klassiker haben etwas Magisches. Die Art und Weise, wie Menschen früher Dinge taten. Die Art, wie sie Filme drehten. Die Schauspieler waren so zurechtgemacht, die Lichter so hell, die Musik so dramatisch, und sie sagten diese großen Dinge zueinander. Nichts war entspannt, nichts war natürlich, nichts sollte zeigen, wie der Alltag aussieht - und ich habe den Alltag irgendwie satt.“
Normale Dinge und das wirkliche Leben zu reflektieren ist nicht unbedingt Sache der Australierin. „Ich will gewaltig sein und ein bisschen von dieser andersweltlichen Magie in mein Tun einfließen lassen. Und warum auch nicht? Das ist die perfekte Flucht.“ Und so erschafft Grace Cummings auf ihrem zweiten Album, „Storm Queen", eine übernatürliche Figur. Auf dem Cover ist zu sehen: Cummings vor einem endlos weißen Hintergrund, stark geschminkt, zurückgegeltes Haar. Auf ihrer rechten Hand sitzt ein Papagei, ein Pennantsittich, den sie tot in den von Bränden zerstörten Wäldern Australiens fand und von einer befreundeten Tierpräparatorin ausstopfen ließ. Eine solche "Storm Queen" wäre "vielleicht die Schwester von Mutter Erde - sie kommt und bestraft uns, rächt sich an ihrer Schwester". Also bietet uns die Australierin doch ein Gottesbild an, wenn auch ein durchaus unromantisches. Und das kam ihr in den Sinn, weil sie trotz des Nicht religiösseins eine riesige und unerklärliche Präsenz spürt: „Storm Queen könnte einfach nur ein Gott sein, den ich erfunden habe.“
In „Heaven“ beschreibt Cummings schließlich einen möglichen Himmel und teilt bereits in der ersten Strophe ihre knallharte Beobachtung mit, mit der sie Macht und Männlichkeit neu verhandelt: „Ich habe gerade den Himmel entdeckt, wo ein Mann nichts ist.“ Eindringliche Zeilen, gesungen mit einer ebenso eindringlich-tiefen wie kraftvollen Stimme. Und diese so anzunehmen, wie sie eben klingt, das sei ihr in der Vergangenheit nicht immer leicht gefallen. „Ich habe versucht, anders zu klingen. Für manche funktioniert das, aber für mich war das kein natürlichen Fließen.“ Cummings besteht inzwischen darauf, sich so unverfälscht und roh wie möglich zu präsentieren. Auch deswegen produziert sie ihre Musik in Eigenregie und mit möglichst wenig Bearbeitung. „So klinge ich nun mal. Das kann ich nicht ändern. Ich möchte, dass die Dinge so klingen, als ob jemand da wäre und dir vorsingt.“Dass dabei auch mal etwas „Hässliches“ durchschimmert, sei ihr nicht nur als Musikerin wichtig, sondern auch als Schauspielerin. „Hässlich auf der Bühne zu sein - das macht es für mich so schön.“
Rolling Stone (DE) - 1/2022
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